Rechtskommender auf „untergeordneter“ Verkehrsfläche nach § 19 Abs 6 StVO

Die Regelung des § 19 Abs 1 StVO ist allgemein bekannt und grundsätzlich simpel: Bei gleich geordneten Verkehrsflächen hat das rechts kommende Fahrzeug Vorrang. Nach § 19 Abs 6 StVO genießen Fahrzeuge im fließenden Verkehr Vorrang gegenüber Nebenfahrbahnen , Fußgängerzonen, Haus- oder Grundstücksausfahrten und dgl. („untergeordnete“ Verkehrsflächen) Vorrang. Die Definition einer „untergeordneten“ Verkehrsfläche ist jedoch in § 19 Abs 6 StVO nicht abschließend geregelt. (ZVR 1966/272).

Die Abgrenzung, ob eine „untergeordnete“ Verkehrsfläche vorliegt, ist nach folgenden objektiven Kriterien vorzunehmen (RIS-Justiz RS 0074490; RS 0074521; OGH 2 Ob 364/99i). Diese muss im Vergleich der beiden Straßen eine wesentlich geringere Verkehrsfrequenz aufweisen, weiters muss sich die „untergeordnete“ Fahrbahn in ihrer gesamten Anlage deutlich von sonstigen öffentlichen Straßen unterscheidet, beispielsweise auch Feldewege (RIS-Justiz RS 0074563).

Dabei kommt es immer auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an (RIS-Justiz RS 0074506, 0074521). Die subjektive Betrachtungsweise der beteiligten Lenker ist für diese Beurteilung hingegen ebenso irrelevant wie ihre besondere Ortskenntnis (RIS-Justiz RS 0074490; RS 0074550).

Im konkreten Fall ist zwar der Gehsteig im Bereich der Kreuzung Göstinger Straße und Treibhausgasse auf demselben Niveau mit den beiden Straßen, jedoch ist keine Unterbrechung der Bordsteine bzw. des Gehsteigs zu erkennen. Somit grenzt der Gehweg die Treibhausgasse von der Göstingerstraße ab. Entscheidend ist weiters, dass aus Sicht des auf der Göstinger Straße fahrenden Lenkers (Kläger) bis 3 m vor dem Kreuzungsbereich objektiv nicht erkennbar ist, ob es sich im Falle der Treibhausgasse um eine Zufahrtsstraße oder um eine Einfahrt in eine private Anlage handelt.

In diesem Fall kann daher nicht von zwei gleichrangigen Straßen im Sinne des § 19 StVO gesprochen werden, was vom Landesgericht Korneuburg als Berufungsgericht richtigerweise festgestellt wurde. Der gesamte Schaden des Klägers in Höhe von EUR 7.708,08 ist von der Versicherung des Fahrzeuges, welches auf der Treibhausgasse fuhr, zu tragen. Die unrichtige Rechtsansicht des Bezirksgerichts Zistersdorf, dass in diesem Fall kein Verschulden einer Partei feststellbar und Schadensteilung die Folge sei, wird durch das Landesgericht Korneuburg infolge Berufung des Klägers aufgehoben.

Veröffentlicht in Verkehrsrecht und Unfallschäden.